Am 18. Okt. passierten wir die bulgarische Grenze bei Bregovo und fuhren bis nach Vidin. Am 19. Okt. brachte uns die Fähre ins rumänische Calafat. Bulgarien und Rumänien, im Gegensatz zu Serbien EU-Länder, zeigten uns Feldermeere so weit das Auge reicht, Pferdefuhrwerke, Ziegen- und Schafherden, umherlaufende Gänse und Puten, abgemagerte Hunde und langezogene Dörfer. Fahren wir entlang der nicht enden wollenden Dorfstraße, fühlen wir uns wie auf dem Laufsteg im besonders ausgefallenen Dress ... Kinder rufen, kommen angerannt, um abzuklatschen, die vor ihren Häusern Sitzenden blicken interessiert und grüßen. "Es gibt in Rumänien gute und weniger gute Menschen", warnte uns der hilfsbereite Christian, deren Töchter in Bukarest studieren. Und so versuchten wir unser letztes Balkanland mit Vorsicht kennenzulernen.
ROUTE: Calafat - Poiana Mare - Bechet - Corabia - Turnu Magurele - Bukarest

In Corabia trafen wir wieder die "guten" Menschen, die gern helfen, wenn Hilfe benötigt wird... und Micha benötigte sie. Er wollte mich mit seiner Manneskraft beeindrucken und zeigte mir, dass man auch mit einem angeschlossenen Fahrrad weit kommen kann. Nur brach bei den ersten Zentimetern die erste Speiche und das Vorhaben fand ein schnelles Ende. Weniger beeindruckt war mir klar, dass der restliche Nachmittag mit der Fahrradreparatur gefüllt war. Also machte ich es mir in der Unterkunft gemütlich und Micha fand Gabriel, um sein Rad wieder in Ordnung zu bringen.

Hier sollte erwähnt werden, dass es in Corabia keinen Fahrradladen gibt, der Material wie Werkzeug zur Verfügung stellen konnte. So fanden die zwei eine "neue" verrostete Speiche bei Gabriels Fahrschullehrer, Werkzeug in der Werkstatt von Gabriels Vater. Gabriel entpuppte sich zudem als dufter Typ, mit dem es sich nach getaner Arbeit auch gut Kakao und Kaffee trinken ließ ;-)
Kurz zu Gabriel: Wie einige andere junge Rumänen fühlte er sich gezwungen, die Heimat zu verlassen. Denn in Rumänien findet man schwer einen Job und wenn, dann ist das Gehalt miserabel. Vor zwei Jahren begann er daher in einer norwegischen Eisfabrik sein Geld zu verdienen, genauso wie auch einige seiner Verwandten. Sein Wunsch ist es, dass auch die Eltern ihm eines Tages folgen werden.
Am folgenden Tag radelten wir nach einer kurzen Stadtbesichtigung weiter ins circa 30 km entfernte Turnu Magurele, wo bei Ankunft eine prunkvolle Hochzeitsgesellschaft das orthodoxe Gotteshaus verließ: prächtige Kleider - Jubelrufe - traditionelle Musik - eine weiße Stretchlimousine - drei Gypsiekinder, für die Kälte zu leicht angezogen - ein bettelnder alter Mann, einen mit Blüten gefüllten Eimer in der Hand - zwei Fahrradreisende, das Schauspiel betrachtend. Wir verließen den Ort und radelten zum Busbahnhof, den man als solchen nur durch Nachfragen identifizieren konnte. Dort genossen wir die liebevolle Fürsorge der Kioskverkäuferin, die mich mit einem Platz am Heizer und Essen versorgte. Micha bekam auch etwas ab ;-) Schließlich schenkte sie mir noch einen Lippenstift, damit ich mich für Bukarest zurechtmachen konnte... denn da ging unsere Busreise hin. Der Fahrer begrüßte uns mit deutschen Worten, die er als Zirkusfahrer in Deutschland gelernt hatte, und brachte uns mit Sack und Pack ins geschäftige Bukarest.